(Artikel aus der Rhein-Zeitung Ausgabe A, vom 05.11.2020, Seite 29, von Simone Schwamborn)
Im Bürgerpark steht Gerd Faßbender bei der Fahrradreparatur mit Rat und Tat zur Seite und bringt gespendete Räder auf Vordermann.
Unkel. Ob Hollandrad, Rennrad oder Klapprad – irgendwann wird mal eine Reparatur fällig. Dann muss ein Schlauch geflickt, Bremsbeläge getauscht oder die Kette geprüft werden. Wer es sich nicht allein zutraut, seinen Drahtesel zu reparieren, erhält Hilfe in der Fahrradwerkstatt für Selbstschrauber im Bürgerpark in Unkel. In der Fahrradwerkstatt, die der Verein „Gemeinsam für Vielfalt“ ins Leben gerufen hat, macht sich Gerd Faßbender gern die Hände schmutzig – für alle, die Hilfe beim Reparieren benötigen.
Neben Faßbender steht ein Montageständer und darauf ein aufgebocktes Rad. Der Ehrenamtliche schaut sich dessen Zustand genauer an und entscheidet, was zuerst gemacht werden muss. Die Werkstatt schließt er in der Sommersaison an einem festen Tag in der Woche und nach Terminvereinbarung auf, nimmt gespendete Fahrräder entgegen, macht alte, abgegebene Fahrräder wieder fit und assistiert beim Kettenreinigen oder Schlauchwechseln. „Leider hat sich noch nicht ganz herumgesprochen, dass wir eine Do-it-yourself- Werkstatt sind“, erzählt Faßbender von einem Ehepaar, das ein Fahrrad zur Reparatur abgeben wollte. „Den ein oder anderen musste ich leider wegschicken. Wir wollen keine Konkurrenz für Fahrradhändler mit eigener Servicewerkstatt sein“, erklärt Faßbender. Er steht aber mit Rat und Tat zur Seite, wenn es darum geht, die Fahrradkette zu schmieren, Bremsen einzustellen, einen Plattfuß zu flicken oder eine Beleuchtung zu ersetzen. Knifflige Dinge, etwa ein Defekt am Kugellager, werden an naheliegende Servicewerkstätten verwiesen. In der Werkstatt stehen mehrere Montageständer. Spezielles Werkzeug ist vorhanden, das nicht jeder zu Hause in der Werkzeugkiste hat. Ein Teil der Fahrräder hängt an einer Halterung kopfüber an der Wand, um im Raum ausreichend Platz zum Schrauben zu haben.
Faßbender erlebt auch Überraschungen. „Eine ältere Dame kam mit einem Original Recke-Fahrrad aus dem Jahr 1947. Es ist immer noch da. Ich will es originalgetreu zurückbauen, bin aber noch nicht dazu gekommen“, erzählt der Tüftler. Die Werkstatt ist Annahmestelle für Räder, die für Bedürftige gespendet werden. Faßbender bringt diese auf Vordermann und gibt sie gegen eine kleine Spende ab, „damit die Fahrräder wertgeschätzt werden“. Allein in diesem Jahr wechselten 30 Räder den Besitzer. „Ich spendete mein Rennrad aus den 60er-Jahren. Eine Mutter sah das Rennrad und schenkte es, nachdem ihr Mann es aufgearbeitet hatte, ihrer Tochter, die Retrofan ist.“ Einmal kam eine Familie mit Kinderwagen, an dem ein Rad kaputt war. „Dafür hatte ich aber leider keinen Ersatz“, lacht Faßbender, der noch mehr Geschichten erzählen könnte.
„Wir wollen keine Konkurrenz für Fahrradhändler mit eigener Servicewerkstatt sein.“
Gerd Faßbender, ehrenamtlicher Mitarbeiter der Do-it-yourself-Werkstatt im Bürgerpark
An diesem Tag bleibt es ruhig in der Werkstatt. Erst im März wird sie wieder regulär an einem Tag in der Woche aufgemacht. Bis dahin müssen Schrauber einen Termin vereinbaren. Das Angebot, das seit 2019 besteht, ist nicht auf Reparatur und Spenden beschränkt. Polizei und Verkehrswacht haben Kinderfahrräder und Parcoursmaterial zur Verfügung gestellt. „Hier im Bürgerpark können Kinder sicher fahren lernen. Das gilt auch für Erwachsene, die wieder in Übung kommen wollen“, erklärt Anja Rihm, Vorsitzende bei „Gemeinsam für Vielfalt“ von den nächsten Plänen. Der Rheinradweg verläuft entlang des Grundstücks. „Wir überlegen, langfristig eine Tür in den Zaun zu setzen und mit einem Schild darauf hinzuweisen, dass Radtouristen hier rasten und gegebenenfalls ihr Fahrrad reparieren können“, sagt Rihm.
Beate Wiegard aus Unkel würde die Werkstatt jederzeit weiterempfehlen. „Ich habe die Werkstatt aufgesucht, weil mein Fahrrad eine neue Bereifung brauchte. Ich war natürlich auch neugierig, und Hilfe zur Selbsthilfe finde ich einfach großartig.“ Die Mitarbeiter hätten ihr professionell geholfen, „was bei einem Hollandrad mit festmontiertem Kettenkasten gar nicht so einfach ist“. Die Idee zur Werkstatt entstand aus der Flüchtlingsarbeit des Vereins heraus, berichtet Detlev Cosler, Ehrenamtsförderer der katholischen Kirchengemeinde Unkel. Er unterstützte den Verein beim Aufbau der Werkstatt. Das Angebot richtete sich zuerst an Geflüchtete. Zum einen wurden sie mit gespendeten Fahrrädern mobiler, zum anderen wurden sie in die Werkstattarbeit integriert. Die Zielgruppe habe man dann auf alle Bedürftige und alle, die Hilfe bei der Reparatur in Anspruch nehmen wollen, ausgeweitet. Cosler war es auch, der eine Schulung für Ehrenamtliche organisierte, die in der Werkstatt mit anpacken. An mehreren Wochenenden lernten die zukünftigen Werkstatthelfer in einer Schulung etwa, wie eine Narbenschaltung auseinander- und zusammengebaut oder ein Fahrrad neu eingespeicht und ausgerichtet wird. Wer sich in der Werkstatt engagieren möchte, ist willkommen.
Die Werkstatt öffnet nach telefonischer Vereinbarung unter Tel. 0151/186 683 34.
Mit freundlicher Genehmigung der Rhein-Zeitung. Der Artikel kann auch direkt bei der Rhein-Zeitung im Volltext abgerufen werden oder hier als PDF-Datei heruntergeladen werden.
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